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Ralph Dutli

Ralph Dutli, geb. 1954 in Schaffhausen/Schweiz, lebt als freier Autor in Heidelberg. Er ist Lyriker, Essayist, Biograph und Übersetzer.

Er veröffentlichte die Gedichtbände: "Notizbuch der Grabsprüche" (2002) und "Novalis im Weinberg" (2005), die Essaysammlung "Nichts als Wunder" (2007) und die kleine Kulturgeschichte "Liebe Olive" (2009). 

Seine Ossip Mandelstam-Biographie "Meine Zeit, mein Tier" (2003) wurde viel beachtet. 

Er erhielt den Hugo Ball-Förderpreis der Stadt Pirmasens, den Stuttgarter Literaturpreis und den Johann Heinrich Voß-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Im Jahr 2003 war er Stipendiat im Herrenhaus Edenkoben.

 

Ralph Dutli, Geduld & Knorrigkeit, 2005

so lange Kahlheit Knorrigkeit
Ausharren mit auseinander
gereckten Armen (am Draht!)
soviel Kälte und Schweiß
soviel Zertretenes Gepresstes
soviel später Triumph
der Weinberg dichtet
im Schlaf zu Pferd
seine scheue
Beduinenpoesie!

Ralf Thenior

Ralf Thenior, geboren 1945 in Bad Kudowa/Schlesien, lebt als freier Schriftsteller in Dortmund.

Seine frühen Gedichte, zusammengestellt in dem Band "Traurige Hurras" (1977), machen alltägliche Widersprüche im Detail sichtbar. Mit ein paar Zeilen wird eine Szene skizziert, eine Gestalt in ihren individuellen und sozialen Gesten vorgestellt. 

Seit den 90er Jahren schreibt Thenior auch Geschichten und Romane für Kinder und Jugendliche. Er erhielt zahlreiche Preise. Mit dem Künstlerhaus Edenkoben ist er seit den Anfängen verbunden. In der Reihe "Deutsche Reise nach Plovdiv" erschien 1998 sein Prosaband "Das bulgarische Gefühl".

 

Ralf Thenior, Dunkelfelder, 2006

Unter Herbstlicht fahrenden Wolken
Landschaft in sanft gewellten Streifen
Bis zum Horizont. Moose im Steinbruch,
Pilze im Faulholz. Die Säfte, die im gelben
Halm nicht steigen, die Kraft, die durch den
Stängel das Verlangen treibt, steigt müde
Zu Tal, in Vorfreude auf Krähenflug um Turm.

Arnfried Astel

Arnfried Astel  (* 9. Juli 1933 in München; † 12. März 2018 in Trier) lebte zuletzt in Saarbrücken, wo er von 1967 bis 1998 die Literaturabteilung des Saarländischen Rundfunks leitete.

Er studierte Biologie und Literatur in Freiburg und Heidelberg und gab von 1959 bis 1970 die "Lyrischen Hefte" heraus. Seine literarische Spezialität war das Epigramm, die kurze, lapidare Inschrift. 

Neben den politischen Texten stehen präzise Natur- und Liebesgedichte, zusammengefasst in Bänden wie "Wohin der Hase läuft" (1992) und "Jambe(n) & Schmetterling(e) oder Amor & Psyche" (1993). In der Reihe Edition Künstlerhaus erschien 1999 die Haiku-Sammlung "Sternbilder". Astels Gesamtwerk ist unter http://www.zikaden.de zugänglich.

 

Hans Arnfrid Astel, Bläuling, 1996

Vom Himmel kam der Bläuling angeflogen.
Er setzte sich vor meinen Augen nieder.
Ich sah auf ihn hinab wie in den Himmel.
Gesetzestafeln waren mir zerbrochen,
entzwei & zwei, zu vier beschwingten Flügeln.
Da faltete ich auf mein Sudelbuch
und spießte das Ereignis mit dem Stift
in das Gedächtnis, wo die Schmetterlinge
noch stille halten, wenn wir sie betrachten.

Inger Christensen

Inger Christensen, geboren 1935 in Vejle/Dänemark, gilt als die bedeutendste europäische Dichterin ihrer Generation.
 
Ihr Ruhm basiert vor allem auf ihren zyklisch angelegten Großgedichten "das" (1969), "alphabet" (1981) und dem Sonettenkranz "Das Schmetterlingstal" (1991). Sie hat auch Romane, Theaterstücke, Hörspiele und Essays geschrieben. 

Mit dem Künstlerhaus Edenkoben war sie seit 1988 verbunden. Damals trat sie im Rahmen eines dänisch-deutschen Lyrikertreffens zum ersten Mal auf. Über "Edenkoben und das paradies" hat sie sich in ihrem 1994 erschienenen Essay "Die ordnende Wirkung des Zufalls" Gedanken gemacht. 

 

Inger Christensen, Erinnerung an Edenkoben, 2007

G rün in Grün und später Blau in Blau
R egen stürzt schon aus den Vogelwolken
E denkoben überschwemmt von Zwitschern
G elb in Gelb dann plötzlich Rot in Rot
O der später dann der reine Purpur
R egenbogen zweimal Regenbogen
L andschaft also draußen vor dem Fenster
A ber Landschaft auch schon eingedrungen
S chon durch meine Augen eingedrungen
C haotisch wo der Weg zu meiner fernen
H and gesucht wird, die als Teil der Landschaft
E denkoben schreiben kann, ganz Wort, ganz
N ame, dennoch Landschaft zweimal Landschaft

Wolfgang Hilbig

Wolfgang Hilbig, geboren 1941 in Meuselwitz.

Der große Lyxriker und Prosaautor Wolfgang Hilbig war in der DDR Heizer und Hilfsschlosser, ein Experte der Finsternis, der verrotteten Fabriken und Kohlehalden in der Gegend um Leipzig, der autodidaktisch zur Literatur fand, die er um höllische Landschaften bereicherte. 1985 erhielt er ein Visum für die Bundesrepublik. 

1988 kam er als Stipendiat des Künstlerhauss nach Edenkoben und blieb fast sieben Jahre in der Stadt. Hier, in der Watzengasse 32, entstand u.a. die bedeutende Erzählung "Alte Abdeckerei" (1991) und der Stasi-Roman "Ich" (1993), aber auch eines der schönsten Edenkoben-Gedichte.

 

Wolfgang Hilbig, Bruchstücke im Sommer, 1992

Welche Ellipsen des Schweigens
versunken inmitten uralter Weinberge
im glasigen Licht eines nachtlosen Sommers:
Glutatem bewegte die Dünung der Stille –
unendliches Ausharren des Nichtseins am Tisch
und Fäden spannen sich vom Rand einer Tasse
(Kaffee – in Schichten versandet) aufwärts
zu den ausgebrannten Lampenschirmen ...
hellgrüne Spinnen auf ihrer Kreuzfahrt
hievten sich von Planet zu Planet
elektrisch vor Allmacht
         seit Tagen
drehten sich schwankend die Bilder.

Baldur Óskarsson

Baldur Óskarsson, geboren 1932 in Hafnafjördur.

Baldur Óskarsson lebt in Reykjavik und arbeitet seit 1956 für das isländische Radio. 1966 debütierte er mit der Gedichtsammlung "Svefneyjar" ("Schlafinseln"), der sieben weitere Lyrikbände folgten. 

Von einigen seiner Gedichte liegen Übersetzungen ins Deutsche, Norwegische und Englische vor. Er selbst übertrug Gedichte u.a. von Lorca, Eluard und T.S. Eliot ins Isländische. 1991 nahm er an der Übersetzungswerkstatt "Poesie der Nachbarn" (Island) im Künstlerhaus Edenkoben teil und hinterließ, wie manch anderer, ein Babylon-Gedicht.

 

Baldur Óskarsson, EdenkobenBabel, 1991
aus dem Isländischen von Frans Gislason und Gregor Laschen

In Edenkoben, wo die Sprachen
des Kontinents zusammenkommen
und gehört werden über Land, über Meer –
gehörtes Verstehen –
da ist uns Gewißheit:
nach dem Sündenfall,
den Gefahren der Berührung
langsam –
langsam erhob sich der Turm
im Menschen

Und was sie reden –
es tönt diese Stimme, die sagt –
empor zu dir –

Jan Wagner

Jan Wagner, geb. 1971 in Hamburg.

Jan Wagner lebt seit 1995 als Lyriker und Übersetzer englischsprachiger Dichtungen und Rezensent in Berlin. Er veröffentlichte die Gedichtbände "Probebohrung im Himmel" (2001) und "Guerickes Sperling" (2004). Zusammen mit Björn Kuhligk publiziert er die Anthologie "Lyrik von Jetzt" (2003) sowie "Der Wald im Zimmer. Eine Harzreise" (2007). Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen und Preise, darunter 2002 das Stipendium im Künstlerhaus Edenkoben. 
Unter den jüngeren Lyrikern nimmt er mit seinen perfekt gebauten Miniaturen und Genreszenen eine hervorragende Position ein.

 

Jan Wagner, dezemberlandschaft mit kleinen terzen, 2002

der jähe wintereinbruch überzog
die zierteiche mit eis: der goldfisch dort,
erstarrt in der bewegung – und die sonne

versinkt. die straßenlaternen, so früh am tag
vom eigenen flackern geweckt, darüber die sichel
des mondes – dünngeschliffen von der kälte.

die reben, ihre harten knoten, als gelte
es etwas zu erinnern; fern am berg
rettet ein auto die lichter über den paß.

und durch den garten geht der wind, am baum
ein letzter roter apfel: dunkle zeiten
die heilige und narren leuchten lassen.

Annukka Peura

Annukka Peura, geboren 1968 in Turku (Finnland).

Annukka Peura lebt in Turku in Finnland. Sie studierte Literaturwissenschaften und arbeitet über Walter Benjamin. Sie ist als Lyrikerin, Essayistin, Kritikerin und Übersetzerin tätig. 1996 gab sie das Jahrbuch des "Clubs der lebenden Dichter" heraus. Ihre Gedichte wurden in mehrere Sprachen übersetzt. 2001 war sie bei "Poesie der Nachbarn" (Finnland) im Künstlerhaus Edenkoben zu Gast. Dabei entstand auch das Gedicht von den Weiden am Bach und den fließenden Worten.

 

Annuka Peura, Die Weiden am Bach in Edenkoben, 2001
aus dem Finnischen von Stefan Moster
                                                   den Gastgebern gewidmet

Wir sind still.
Wir lauschen.
Verstehen kaum die Worte,
die hier fließen.
Nicht diese Sprache.
Mit den Jahren sich verzweigend,
angereichert, geht sie weiter.

Die Worte fließen,
es scheint gar, dass sie tanzen möchten,
vielfarbige Bedeutungen und
Sommer.
Unnachahmliche Bewegung!
Der Ton aber Gemeinsamkeit
aus gebender Quelle.

Jan Koneffke

Jan Koneffke, geboren 1960 in Darmstadt.

Jan Koneffke studierte Philosophie und Germanistik in Berlin. Seine ersten Gedichte veröffentlichte er 1984, seit 1987 arbeitet er als freier Schriftsteller. Er lebte mehrere Jahre in Rom und pendelt heute zwischen Wien, Bukarest und dem Ort Maneciu am südlichen Karpatenrand. Er publizirte u.a. die Romane "Paul Schatz im Uhrenkasten" (2000), "Eine Liebe am Tiber" (2004) und "Eine nie vergessene Geschichte" (2008). 1998 hatte er das Plovdiv-Stipendium des Künstlerhauses inne. Dabei entstand das Buch "Guliver in Bulgarien".

 

Jan Koneffke, Edenkobenhaikus, 2006

            für Ingo Wilhelm

Beim Aufwachen Weltformeln
in sieben Sprachen
Maultrommeln im Ohr

Wer im Morgengrauen
Schlagseite hatte das war
der verflixte Mond

Und was ich erfahrn
habe von diesem Nachtkauz
verrate ich nicht
 

Ernest Wichner

Ernest Wichner, geboren 1952 in Guttenbrunn/ Rumänien.

Ernest Wichner war im rumänischen Banat Angehöriger der deutschen Minderheit und lebt seit 1975 in Deutschland. Seit 2003 leitet er das Berliner Literaturhaus. Er schreibt Gedichte, Erzählungen, Romane, Kritiken und arbeitet als Herausgeber und Übersetzer, vor allem aus dem Rumänischen. Zuletzt erschienen die Gedichtbände "Die Einzahl der Wolken" (2003), "Rückseite des Gestern" (2003) und "Steinsuppe" (1988/2008). In der Reihe "Deutsche Reise nach Plovdiv" kam 2001 der Prosaband "Alte Bilder. Geschichten" heraus.

 

Ernest Wichner, Edenkoben, 1990

Noch einmal blüht der Flieder
im Oktober. Tornados fliegen
übers Haus. Stare haben längst
die Spätlese erobert. Tief
sind wir verstrickt in Friedlichkeiten.
Bäume knicken
streichholzgleich. Alle fahren
alle rennen. Von der Küste
von der Küste hat man lange
nichts gehört. Herbst noch
einmal vor dem Fenster, vor
dem Fenster unten ist der
Flieder explodiert.